Über die 'Notwendigkeit' des Krieges

Day 1,157, 05:15 Published in Germany Germany by Iseutz

Hallo allerseits,

erneut nehme ich eine Aussage von Konrad auf, um einige Gedankengänge darzulegen, über die sich eventuell trefflich streiten läßt. In seinem Rücktrittsartikel läßt sich folgenes lesen:

"Also, at this time of uncertainty, it is the best for the state not to seek unnecessary war. Unlike the war mongers of Yargestein, Iseutz, and others who craves for war, there is a difference between war of necessity or war of choice. There are no wars of necessity at this time so the state should focus on diplomacy first. I am not saying that we should not fight in any wars at all but make sure that the battles you do fight is that of necessity only." - (I Resign)

Nun ist das eine Aussage, die man so hinnehmen kann, da der zugrundeliegende Gedanke zunächst plausibel erscheint: 'Wenn man nicht weiß, was los ist, ist blindes Voranstürmen kontraproduktiv.' Aber es gibt eine ganze Reihe von Überlegungen, die in dieser Sehnsucht nach Sicherheit, Stabilität und Kontrolle beiseite geschoben werden. Diese zu äußern und offensichtlich zu machen ist dabei keineswegs 'Kriegstreibern', der Opposition oder Nationalisten vorbehalten, auch wenn der stets so moralische Konrad nicht davor zurückscheut diesen Diskreditierungsversuch zu unternehmen. Jeder sollte sich dazu äußern dürfen, ohne gleich mit Denkverboten konfrontiert zu werden.


"...at this time of uncertainty..."
Konrad behauptet seit Beginn seines Wahlkampfes, daß die gegenwärtige Neuordnung der Machtverhältnisse eine Besonderheit darstellt, weil es uns theoretisch ermöglicht, Teil einer neuen politischen Konstellation zu werden. Er sprach dabei über gegenseitigen Nutzen, nach dem man sich richten sollte, anstatt den Ideen unverbrüchlicher Freundschaft und ewiger Feindschaft nachzuhängen. (siehe Interregnum, vorletzter Absatz)

Heute wie damals bestreite ich, daß es eine solche Sondersituation gibt, die sich durch eine ausgesprochene Unsicherheit auszeichnen würde. Für eDeutschland hat es aufgrund unserer Spieleranzahl niemals Zeiten der Sicherheit gegeben. Es immer wieder Verschiebungen von Einfluß und Reichtum innerhalb und zwischen den Meta-Allianzen, deren Auswirkungen für eDeutschland stets spürbar waren. Die Ereignisse innerhalb des Spieles sind immer abhängig von Massenphänomenen, die durch individuelle Impulse ausgelöst werden - und das heißt nichts anderes, daß zwischen glorreichen Siegen und schachvollen Niederlagen letztlich immer nur ein paar Mausklicks liegen. Mausklicks die wir, als eDeutsche, niemals werden beeinflussen oder vorhersagen können.

Konrad und viele andere Spieler interpretieren diese Gesamtsituation als Zwang zum Stillhalten, um nicht unter den Räder der Ereignisse zermahlen zu werden. Diese Interpretation ist es, was eDeutschlands Außenpolitk seit jeher bestimmt, nämlich kaum markante Entscheidungen zu treffen und sich ausschließlich nach den Interessen der großen Brüder und Schwestern zu richten. Und genau das erleben wir auch jetzt, wir richten uns nach alten Freunden (UK, Frankreich, Brasilien), hoffen auf good will von alten Beschützern (Ungarn, Serbien) und hecheln den Ereignissen mühevoll hinterher.

Der grobe Widersprich zwischen seine Aussagen zur Zeit des Wandels und dem aktuellen Regierungshandeln läßt sich schlicht darauf zurückführen, daß wir es eben nicht in einer grundlegend neuen Situation zu tun haben. Unser Problem ist nicht der Wandel der Meta-Allianzen, sondern vielmehr der Charakter unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Und die wird, wie oben bereits einmal erwähnt, durch individuelle Impulse determiniert. Nicht äußere Zwänge entscheiden, sondern einzelne Menschen tun das.


"...there is a difference between war of necessity or war of choice..."
Auch diese zweite fundamentale Position der vorherrschenden Stillhalte-Doktrin blendet wesentliche Überlegungen über das Wesen und Dynamik von eRepublik aus. 'Necessity' und 'choice', also Notwendigkeit und Wahl, lassen sich nämlich auf auf mehr als eine Art interpretieren.

Nach der üblichen Logik über Kräfteverhältnisse (repräsentiert durch Spieleranzahl), wäre jeder edeutsche Angriff Selbstmord, da sich immer eine größere Zahl böswilliger Verteidiger zusammenrotten kann und deren Gegenangriff zwangsläufig zur Tilgung eDeutschlands von der Weltkarte zur Folge haben muß. Diese Logik ist fehlerlos, die Schlußfolgerung für die edeutsche Politik ist es jedoch nicht mehr.

Konrads Lesart führt dazu, daß eDeutschland überhaupt keine Möglichkeit mehr hat, Krieg als Option wahrzunehmen. Denn die oben beschriebene Situation wird sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit niemals so drastisch ändern, daß wir im Alleingang unsere Nachbarn in Schach halten könnten. Hier wird eine Alternativlosigkeit konstruiert, die nicht bloß armselig ist, sondern gleichzeitig den Unterschied zwischen 'necessity' und 'choice' an sich negiert - 'choice' wird selbst als theoretischer Widerpart faktisch eliminiert. Nur wo ist dann der Unterschied, wenn es sowieso bloß eine Seite übrigbleibt?

Was Konrad und Co nicht zu verstehen scheinen, ist die simple Tatsache, daß es diese alternativlose Notwendigkeit nur aufgrund seiner/ihrer ganz persönlichen Einstellung existiert, nämlich wenn er oder seine Nachfolger Initiative und freier Willen aufgeben und sämtliche Entscheidungen über das Schicksal der Welt (und damit eDeutschland) anderen Spielern überlassen.

Ebenso scheint er zu übersehen, daß es soetwas wie einen kriegslosen Zustand nicht geben kann. Nicht bloß, weil eDeutschland ein welkes Blatt im Feuersturm der Großmächte ist und jederzeit ein Angriff stattfinden kann (was er wohl als den 'war of necessity' ansieht), sondern weil die Abwesenheit von äußeren Kriegen zwangsläufig zum Beginn innerer Kriege - oder, um begriffliche Verwirrung zu vermeiden - innerer Konflikte führt. Wir bekämpfen uns immer. Und unsere Wahl wäre ist nicht die, ob und wann wir unser Land verteidigen müssen, sondern wie. Und ob wir militärische Waffenruhe gegen innere Zerfleischung, Vereinzelung und anhaltende tauschen wollen.


"...make sure that the battles you do fight is that of necessity only."
Ich für meinen Teil ziehe inneren Zusammenhalt territorialer Unversehrtheit vor. Denn die Regionen bekommt man immer wieder, auch wenn es manchmal einige Wochen dauern kann. Spielmechanik und Blockpolitik spielt uns in die Hände.

Wenn es tatsächlich eine Notwendigkeit geben sollte, dann ist es die, eine stolze, mutige und vitale Community aufzubauen. Unsere Doktrin sollte daher nicht sein, Gebietsverluste zu fürchten, sondern zu verinnerlichen, daß man eRepublik nicht verlieren kann. Zu gewinnen gibt es hingegen viel - allerdings muß man das auch wollen.


Iseutz