Gekippte Ausgabe und gekippte Vodkas

Day 607, 15:12 Published in Germany Germany by Letnix

Harry Kohl versetzte der Cola-Dose auf dem Gehweg einem Kick. Scheppernd prallte diese von einer Bank ab und blieb in einem Hauseingang liegen.
Der Redaktionshelfer sah den Reporter fragend an.

"Alles in Ordnung, Chef? Oder gibt es irgendwelche Probleme? Seid einer halben Stunde haben Sie kein Wort gesagt..."

Harry Kohls Gesichtsmuskeln arbeiteten merklich.

"Probleme?? Ich habe keine Probleme... Nein, habe ich nicht. Vielleicht nur unseren Herausgeber. Der ist das Problem..."

Fast gezischt waren die Worte.

"Ich habe alles fertig für die nächste Ausgabe. Den Bericht über die polnischen Riesenratten, der Brand im Werk für Brandschutzkleidung. Oder die Berichte von den Kämpfen. Aber nein, der Herr Herausgeber schmeisst alles über den Haufen und sagt, wir sollen eine Ausgabe zur Innenpolitik machen...."

Die Frage war wohl nicht so klug gewesen, dachte der Redaktionshelfer. Die Luft war förmlich geladen, ein Funke und Harry Kohl explodiert.

Der Star-Reporter des Krautblattes holte tief Luft.

"Also schön, schreiben wir halt über die Innenpolitik... Wie heissen Sie eigentlich?"

Mit allem hätte der Redaktionshelfer jetzt gerechnet, aber nach seinem Namen gefragt zu werden, machte ihn jetzt etwas unsicher.

"Hein. Ähmm, ich heisse Hein..."

"Gut Hein. Was schreiben wir? Was gibt es neues in der Innenpolitik? Wir brauchen schnell einige Artikel, der Herausgeber wird es wissen wollen, wenn wir ihn gleich treffen."

Irgendwie begann der Boden unter Redaktionshelfer Heins Beinen zu schwanken. Harry Kohl fragte ihn nach seiner Meinung? Den Herausgeber treffen?? Das war alles etwas zu viel.

"Ich, ähmm, ich... denke... Wahlen. Bald ist... ähm... Kongresswahl. Das... ähm... könnte ein Thema sein?! Und ich sehe gleich den Herausgeber??"

Harry Kohl deutete auf die Plakate.

"Das Wahlen sind, ist ja nicht zu übersehen. Aber über was soll ich denn da schreiben?? Und ja, Sie werden gleich den den Herausgeber persönlich treffen, Mr. Letnix wird sich mit mir im "Grand Garden" treffen. Und da Sie mir ja nicht von der Seite weichen, werden Sie wohl auch dabei sein..."

Redaktionshelfer Hein konnte sein Glück noch nicht fassen und wurde mutig.

"Na, kein Problem, ich helfe Ihnen. Wir haben zum Beispiel zwei neue Parteien, die Piraten und die Linken. Und man könnte natürlich was über die Programme der einzelnen Kandidaten schreiben... Hessen ist da so ein grosses Thema...."

Harry Kohl sah seinen Redaktionshelfer an.

"Zwei neue Parteien? Ich dachte, dies wäre ein und dieselbe?..."

Der Reporter verfiel ins Grübeln.

"Was sollen wir denn dazu schreiben? Hessen? Das ist doch überhaupt nicht interessant..."

"Oooohh, täuschen Sie sich nicht, Herr Kohl. Hessen steht ganz oben auf den Listen der Kandidaten. Gewichtiges Thema..."

"Hein, würden Sie ein Auto wollen, was eine Multi-Media-HiFi Ausstattung hat, aber keinen Motor? Oder wollten Sie in ein Penthouse einziehen, obwohl das Dach noch nicht fertig ist?"

"Ich verstehe nicht ganz... Was hat das mit Hessen zu tun?"

Harry Kohl lachte.

"Hein, es sollte nur ein Beispiel sein. Warum in aller Welt sollte jemand ein Auto ohne Motor kaufen? Oder in ein Penthouse mit undichten Dach einziehen? Ich denke, unsere Kongressleute sind so schlau, sich um die wichtigen Themen wie die Aussenpolitik, die Sicherheit Deutschlands und die Wirtschaft Gedanken zu machen. Ihr kleiner Spass in Ehren, aber kein Kongressabgeordneter würde sich um solche Belanglosigkeiten kümmern, zumal wir Hessen jederzeit von Ungarn einfordern können...."

Der Reporter unterbrach seine Antwort und schaute den Redaktionshelfer Hein fragend an.

"... es war kein Scherz, Hein? Sie haben das ernst gemeint, oder? Ist das wirklich eines der Themen?"

Hein nickte.

"Naja, nicht zwangsläufig das Hauptthema, aber es kommt halt vor, desweiteren gibt es da noch die Bestrebungen, in bestimmten Bundesländern..."

Harry Kohl unterbrach Hein mit einer Handbewegung und deutete auf die Bar.

"Wir sind da. Am besten Sie halten erst einmal die Klappe und lassen mich reden."

Hein nickte wieder. Der Reporter sties die Tür auf und sah sich in der Bar um. Von der Seite hörte er eine bekannte Stimme.

"Aaaah, wenn das nicht unser Star Harry Kohl ist, kommen Sie, wir haben einiges zu besprechen...."

Aus einer abgetrennten Nische erhob sich ein Mann.

"Und wie ich sehe, haben Sie Verstärkung mitgebracht! Willkommen, Herr Hein!"

"Hallo Herr Letnix... ich meine Guten Tag, Herr letnix Boss ähmm... "

Vor Aufregung stotterte Hein irgendwelchen Blödsinn zusammen. Herr Letnix lächelte und winkte der Kellnerin zu. Die blonde Schönheit kam engelsgleich angeflogen, zumindestens schien es Hein so.

"Was darf ich den Herren bringen?"

"Zwei doppelte Vodka für mich..." Hein war vollkommen durch den Wind.

"Bringen Sie dem Herrn die zwei Vodka, aber bitte den russischen, nicht den polnischen... Und wir nehmen das Übliche... oder?"

Herr Letnix blickte fragend zu Harry Kohl, dieser nickte nur, während er sich seine Pfeife anzündete.

"Sehr gern, Herr Letnix, wie üblich. Kommt sofort!" säuselte die blonde Kellnerin.

"Sehr schön, danke sehr! So, dann lassen Sie uns gleich auf den Punkt kommen. Haben Sie meine Mail bezüglich der Ausgabe bekommen?"

Es war unglaublich, noch während Herr Letnix diese Frage stellte, erschien die Kellnerin mit zwei Vodka und einem Glas Wasser. Harry Kohl bekam ein Glas mit einer seltsam rot-gelblichen Flüssigkeit. Hein zögerte nicht lange und kippte beide Vodka kurzerhand hinunter.

"Bitte noch zwei!" sagte er zur Kellnerin. Das war notwendig jetzt, nicht jeden Tag wird man direkt vom Oberhäuptling empfangen und dann sogar mit Namen und Handschlag begrüsst. Da konnte er aber heute Abend etwas berichten...

"Aber klar habe ich die Info bekommen, aber was in aller Welt sollte das? Wir hatten die Ausgabe schon komplett fertig..." wild mit den Armen fuchtelnd machte Harry Kohl seinem Ärger Luft.

"Ganz einfach, wir müssen uns auf die Innenpolitik konzentrieren, es ist wieder Kongresswahl und wir sollten den Kandidaten und den einzelnen Parteien schon einige Fragen stellen..."

Harry Kohl zog an der Pfeife und nippte am Glas.

"Aber deswegen müssen wir doch verdammt noch einmal nicht eine komplette Ausgabe kippen!! Das können Sie auch Ihre Kollegen im Kongress fragen..."

Und schon wieder hatte Hein seine zwei Vodkas hinuntergekippt und gab der Kellnerin ein Zeichen, noch einmal zwei zu bringen.

Herr Letnix nahm einen Schluck aus dem Wasserglas.

"Nein, Harry, das kann ich nicht. Ich werde im nächsten Kongress nicht antreten."

Nun kopierte Harry Kohl Heins Gesichtsausdruck.

"Sie werden was nicht? Warum in aller Welt? Das verstehe ich nicht... wollen Sie die Republik den jungen Wilden überlassen? Das ist nicht Ihr Ernst?"

"Mein absoluter Ernst. Ich bin niemand, der sich an die Macht klammert, ich habe es einmal mitgemacht, sollen auch andere die Geschicke in die Hand nehmen."

Harry Kohl sprang auf und setzte sich wieder.

Hein hob die Hand.

"Leute, mal was anderes..." so leicht schien seine Stimme schon verzerrt "Was ist eigentlich mit den Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung? Wollten Sie wirklich Deutschland verlassen?"

Harry Kohl stockte der Atem, mit weitaufgerissenen Augen schaute er abwechselnd auf Herrn Letnix und Hein. Aber Herr Letnix lächelte nur.

"Es gab da Ermittlunge, ja, aber die sind mittlerweile eingestellt. Und das mit Deutschland verlassen, das war wohl etwas überzogen in meiner Reaktion. Zufrieden mit der Antwort?"

Zwinkernd wand sich Herr Letnix wieder Harry Kohl zu.

"Was denken Sie, wohin uns diese Politik führen wird?"

"Das kann ich Ihnen genau sagen! Wenn weiterhin so getan wird, als wäre die Befreiung Deutschlands nur mal etwas am Rande, dann wird uns das in den Abgrund führen. Wobei die meisten der Leute, die heute gross schreien nicht einmal diesen Krieg und die Befreiung erlebt haben. Eine Schande ist das... Wieder werden wir in der Welt als die Dummen da stehen. Wenn wir diese Chance wieder nicht wahrnehmen, endlich Position für ein Bündnis zu beziehen, dann Gnade uns Gott!..."

Herr Letnix klopfte Harry Kohl auf die Schulter, währendessen sich Hein die nächsten Vodkas bestellte.

"Bleiben Sie ruhig, Harry. Wissen Sie noch, wenn Ihre Eltern Ihnen gesagt haben "...mach dies nicht, mach das nicht..."? Und Sie haben natürlich nicht auf Ihre Eltern gehört und es dennoch probiert. So manche Erfahrung muss einfach schmerzhaft sein..."

"Auf Kosten Deutschlands? Ich mag nicht schon wieder die Koffer packen und mir ein neues Büro im Exil suchen. Ganz bestimmt nicht!"

"Kommen Sie, so schlimm wird es schon nicht werden! Die meisten unserer Politiker sind schon kluge Köpfe! Wir machen unsere Ausgaben und schauen einfach einmal! Gut, ich muss jetzt noch ein Unternehmen besuchen und einige Verträge fertig machen. Kümmern Sie sich um die Ausgabe!"

Herr Letnix winkte der Kellnerin "Alles auf meine Rechnung... und hier, das ist für Sie..." Ein paar Geldscheine wechselten den Besitzer. "Ach, und rufen Sie doch für den Herrn ein Taxi..." Herr Letnix deutete auf Hein.

Kurz darauf verliess die kleine Gesellschaft die Bar.

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Am Nachbartisch erhob sich eine elegante Dame und nickte einem Mann an der Bar zu. Dieser nahm aus dem Jacket ein Mobiltelefon und drückte die Wahlwiederholung. Einige Sätze auf polnisch wurden gewechselt.
Die Dame hatte drei Barhocker weiter Platz genommen. Auch sie nahm ein Handy aus ihrer Handtasche und tippte eine Nummer ein.

"Hej Björn. Wir müssen nicht sehr aktiv werden. Das Land zersplittert sich gerade selber.... Nein... ich denke, auch über die Ungarn müssen wir uns keine Gedanken machen, sie sind gerade dabei, sie wieder in den Allerwertesten zu treten... Ja, wie immer... Wir können die Planung der Operation "Kornkammer" fortsetzen... Ja, wird ein Kinderspiel... Wir hören uns!"

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