Eigentlich

Day 976, 06:39 Published in Germany Germany by Brainwashed Nobody

Wir präsentieren einen weiteren Artikel unseres Gastautors Saramago:

Eigentlich

Die deutsche Sprache ist wirklich nicht einfach - "leicht" sind Federn - also nicht "einfach".
Und wenn jemand nicht weiss, dass der "Einzige" schon der "Einzige" ist und weniger gar nicht geht, dann sagt er der "Einzigste" - ein Wort, das es gar nicht gibt.

Eigentlich nicht schlimm, oder? Kann man ihm eigentlich verzeihen. Nur was heisst eigentlich "eigentlich", das Lieblingswort dieses Forums?
Wenn eine Frau zu mir sagt "Ich habe dich eigentlich gern", weiss ich spätestens, dass ich abgeblitzt bin. Denn da hörst du schon das "aaaaaaaber ....", das jetzt automatisch folgen muss.
"Saramago ist für den Job eigentlich geeignet." - Au weia, eigentlich bin ich geeignet. Wie schade, dass ich den Job jetzt garantiert nicht bekomme.

"Warst du gestern eigentlich in Bielefeld?"
Hmm, was heisst denn das "eigentlich" in dem Satz? Versuchen wir es mal ohne das kleine Wörtchen: "Warst du gestern in Bielefeld?"
Witzig, das Wörtchen ist weg ... und der Sinn bleibt völlig gleich. Eigentlich. Wozu also? Eigentlich?

Wenn jemand über dich sagt "Eigentlich ist der ein ganz guter Typ!", gib ihm gleich auf die Zwölf, er meint das genaue Gegenteil. Und wenn er nicht das Gegenteil meint, ist er zu feige klar zu sagen &quot😉er ist ein guter Typ!"

Und da sind wir beim tatsächlichen Sinn des Wörtchens "eigentlich": Es ist das Wort der Feiglinge!
Immer schön ein Hintertürchen offenhalten! Bloss keine ehrlichen Antworten geradeaus geben. "Neeein, ich hab nie gesagt, dass ich ihn mag - ich habe gesagt e i g e n t l i c h mag ich ihn ..." - Und zack, sind wir raus aus der Nummer.
"Eigentl ich" heisst: Keine klare Aussage, bloss keine Verantwortung eingehen für das, was ich gesagt habe.

Eigentlich ein Scheiss, oder? Nein, nicht eigentlich? Es IST ein Scheiss. Völlig überflüssig, überdies feige - und im allerbesten Fall ein komplett nichtssagendes Füllwort wie in "Warst du gestern eigentlich in Bielefeld?"

Dann sollte man das Wort schlicht unbedingt weglassen, weil es gar nichts Positives bewirken kann - ganz im Gegenteil. Ich habe es schon vor Jahren aus meinem Wortschatz gestrichen.
Eigentlic h ...

Saramago