(De)Motivation

Day 1,247, 09:21 Published in Germany Germany by Iseutz

Hallo allerseits,

An einem neuerlichen Tiefpunkt des Desinteresses angekommen, habe ich mich dazu genötigt, mal wieder ein bißchen was zu schreiben. Wie üblich wird es etwas mehr zu lesen und wer hier auf einen Haufen lustiger Bildchen gehofft hat, muß leider enttäuscht wieder von dannen ziehen. Ebensowenig wird sich etwas Erhellendes zu aktuellen ingame-Geschehnissen finden, der Artikel ist eher ein Potpourri von Allgemeinplätzen. Wer nicht gerne liest, sollte gleich wieder enteilen - aber nicht ohne das neue gesellschaftliche Mindestmaß an Respekt bezeugt zu haben, also nicht ohne ein freundliches vote. Und sei es auch nur der hörenswerten Hintergrundbeschallung wegen.



Einen Aufhänger soll es aber doch geben, damit der ganze Wust wenigstens ein klein wenig Erdung erhält und nicht völlig ins schwurbelig-pseudophilosophische abdriftet: Operation Trüffel. Das sollte bereits Stichwort genug sein, um bei den aktiven Spielern diese oder jene Emotion aufflackern zu lassen. Präsident und Außenminister haben sich einen feinsinnigen Plan ausgedacht und zur Umsetzung geführt, der letztendlich aber an der Primitivität der herrschenden Umstände und inkompetenten Mitspielern scheitern mußte. Meiner Interpretation nach war das Einbeziehen Belgiens eine Art Mühle-Spielen. Wäre das Saarland frei von polnischen Grenzen und hätte man Sachsen unter diesen Umständen befreien können, wäre eine nachfolgende Kriegserklärung seitens Polens mit der erneuten Eroberung prompt geschlossen worden. Und im Falle eines weiteren erfolgreichen Widerstandskrieges hätte Polen entweder ein NE Proposal für einige Tage verloren oder ein wenig Gold für die Kriegserklärung.

Aber wie gesagt, es waren zu viele 'Wenns' und überhaupt viel zu kompliziert, zudem das ganze Gezerre für einen nichteinmal symbolischen Gewinn wohl zu optimistisch. Auf der anderen Seite sollte man anerkennen, daß überhaupt etwas versucht wurde, ob nun in der Hoffnung auf Erfolg oder als Ablenkung oder als Selbstbeweihräucherung sei zunächst dahingestellt. Oft genug wird Regierungen vorgeworfen zu untätig zu sein - hier waren ein paar Hanseln (inklusive eines Hans) aktiv und natürlich war es trotzdem alles falsch und Mist und überhaupt hatte plötzlich kein Mensch mehr Hans Agil und sein Schattenkabinett gewählt. Zu aller Erleichterung ist aber nun am Ende nicht viel passiert, weder im Guten, noch im Schlechten. Außer vielleicht ein weiterer nicht-lustig-Artikel von Eberhart im Bart.



Operation Trüffel könnte aber vielleicht als Sinnbild des gesamten Spielablaufes herangezogen werden. Die von uns 'gewählten' Opferlämmer (sprich Präsident mitsamt seiner umtriebigen Hintermänner) mühen sich darum, irgendetwas zu tun, das Wirkung zeitigt. Möglicherweise glaubt der ein oder andere sogar daran, einem mythischen Helden gleich, das Schicksal seiner Heimat zu wenden und etwas Großes zu vollbringen. Etwas zu tun oder zu schaffen, worüber alle anderen Mitspieler mit Hochachtung und ganz ohne spöttische Untertöne sprechen. Etwas, woran die Langzeitverrückten auch nach Monaten und Jahren noch schwärmen - und sei es nur, weil sie all die lästigen kleinen Details, Charakterschwächen und Zufälligkeiten der Vergangenheit verdrängt oder vergessen haben.

Möglicherweise ist es auch ein sattsamer Teil Hybris, wenn sich junge Männer und Frauen ihrer übrigen Lebenswelt entledigt dazu aufschwingen, als Mitglieder ominöser, global organisierter Führungsgruppen über Wohl und Wehe 'der ganzen Welt' zu entscheiden. Gewiß, gerade die Angesprochenen werden soetwas als alleinigen Antrieb weit von sich weisen und, im Brustton ihres nachhaltigen Selbstbetruges auf Nutzen, Notwendigkeiten und ihren nun wirklich außergewöhnlich lobenswert guten Willen beharren. Zu betonen, wie sehr es von Vorteil für 'eDeutschland' und seine Bürger ist, wenn sie sich aktiv einbringen.

Etwas Großes soll also vollbracht werden (was auch immer 'groß' wohl sein mag). Und um das zu tun, muß man die Ereignisse kontrollieren, oder - oh süßer Anflug von vorgerückter Weisheit - diese doch zumindest ein wenig in eine günstige Richtung stoßen und ziehen. Auf dieser Basis dürfte sich der überwiegende Teil der Überlegungen abspielen, was aber in der Konsequenz das gesamte Treiben ebenso langweilig wie sinnfrei macht. Für diese Art von banalem Gerangel um vermeintliche Macht gibt gleichzeitig zu viele, als auch viel zu wenig Spieler.

Und alle diese Spieler taumeln durch ein Spiel, in dem die Regeln einem ständigen reißenden Strom von großen und kleinen Veränderungen unterworfen sind. Was wiederum ebenso auf Profitstreben wie geistiger Verwirrung der Admins beruhen dürfte, letzten Endes aber für uns bedeutet, daß feinfühlige, intelligente Kontrolle der Ereignisse nicht möglich ist. Was übrig bleibt sind die beiden Konstanten des Spiels - nämlich das grobschlächtige Beeinflussen der Statistiken mittels echtem Geld sowie die Phänomene, die man immer bei einer Menschenmasse ab einer bestimmten Größe beobachten kann und die es zu instrumentalisieren gilt.



Aber ob Mitspieler (oder man selbst) über einen schier endlosen Vorrat realen Geldes verfügen, läßt sich nunmal nicht beeinflussen - es bleibt der glücklichen (mithin tragischen) Fügung überlassen. Und auch ob man auf eine willfährige Masse an gesichts- und geistlosen Mitspielern zurückgreifen kann, bleibt Zufall. Ironischerweise selbst dann, wenn man sich dazu entschließt, dem Zufall in Form von Scripten auf die Beine zu helfen oder passiv vom cheaten und Multitum Dritter zu profitieren.

Ist man nicht mit diesen beiden Möglichkeiten gesegnet, wird man zwangsläufig reduziert auf Heulen und Zähneklappern. Individuen und Gruppen sind zu verzweifelten Versuchen gezwungen, die eigene Relevanz unter Beweis zu stellen - Operation Trüffel ist geboren. So wie vor ihr und nach ihr noch viele andere Operationen, Missionen, Aktionen, Parteien, Armeen, Kampfgruppen, Kommunen, Trolle, Diebe, Multiuser und Goldkäufer... Eins ums andere belanglose, bestenfalls vorübergehend befriedigende Zuckungen in einem Spiel, in dem uns keine übergeordneten Ideale und keine Freiräume die Flucht aus den Niederungen des viehischen Vor-sich-Hinspielens ermöglichen würden.

Nur was bleibt uns noch, wenn Motivation allein aus Geltungssucht und Habgier Einzelner entspringt? Was bleibt uns noch, wenn wir keine Möglichkeiten haben, mittels Willen, Zusammenarbeit und Einfallsreichtum Türen zu öffnen und auf neuen Wegen zu gehen? Nun, nichts.
Außer - vielleicht - ein ums andere Mal gedankenlose Zeugen davon zu werden, wie zwei Lager aufeinanderprallen, Spiegelbilder voneinander, Spiegelbilder unseres real life, die nicht mehr als brutale Rücksichtslosigkeit und einen erschreckenden Mangel an Sensibilität offenbaren...


Iseutz