[PA] - Über die Dialogethik

Day 1,847, 03:45 Published in Germany Germany by djnewdream
Verehrte Leserschaft!
Es ist mir ein aufrichtiges Anliegen meine Untertanen Leser für einige Dinge zu sensibilisieren. In letzter Zeit gab es den einen oder anderen Vorfall, der mich in der Summe enttäuschte.

Ich bin jedoch nicht auf inhaltlicher Ebene enttäuscht, dazu gebe es von meiner Seite aus keinen Anlass, da ich die Gegenseite mit ihren Argumenten toleriere. Das klingt einerseits trivial, andererseits mächtig und arrogant. Aber eben diese vermeintliche Trivialität ist eine unterschätzte Komponente, die gefährlich oft abwesend erscheint. Viele große Menschen haben sich schon den Kopf zerbrochen über irgendwelche Dinge. Wenn man ganz an die Wurzel wollte, müsste man sich die Frage stellen, wo denn der Anfang der Entstehung eines Dinges ist, um zu verstehen, welche Komplexität der Vorgang eines verbalen Dialogs trägt. Sei es drum: Diesen Schritt übersprungen und die Ergebnisse hervor nehmend, stellt man fest, dass ein Dialog ein perfektes Mittel zum Austausch von Informationen ist, die einen intersubjektiven Vergleich benötigen. Viele Erfahrungen, die gemacht werden, sind nicht als solche erfahrbar, wenn man jene nicht gegenüber anderen Individuen verbalisiert, vergleicht und austauscht.

Welche Fragen ergeben sich aus den Grundlagen?
Die zentrale Frage, die sich mir in Hinblick auf die kürzlich zu bemängelnden Vorfälle aufgetan hat, ist diese:
Mit der Annahme, dass jeder Dialog auf einem Ziel und einem Austausch von Informationen basiert, wie ist ein gleichberechtigter Dialog möglich, wenn beide Parteien den zielweisenden und respektiven Dialogkriterien nicht genügen?

Die Antwort darauf ist leider viel zu einfach: So ein Dialog wäre nicht möglich.
Dies ist die schnelle Diagnose der Vorkommnisse, die allzu oft den Schnack der eDeutschen eRepublikaner charakterisieren. So frage ich frei in den Raum: Wie kann ein sich selbst schätzendes Individuum eine derartige Argumentation, welche folgerichtig keinen logischen Fortschritt oder konsenshaften Mehrwert vermuten lässt, mit seines Gleichen führen?

Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten, wie man vielleicht denken könnte: Ja, dieser Aufwand muss zunächst auf einem harten Subjektivismus beruhen, vielleicht sogar dem politischen Solipsismus, die höchste der aus meiner Sicht verwerflichsten Formen der Argumentationsstile. Ferner werden die Beweggründe von niederer Art sein müssen, weil die eigentliche Sache zu Gunsten der eigenen Beständigkeit aufgegeben wird. Auch wird man mir den Fakt nicht absprechen können, dass das fanatische Festhalten an Vorurteilen und großen Stereotypen ein zentraler Faktor der dialogischen Unfähigkeit ist. Aber all dies ist nur die eine Seite: Das Vorhandensein von negativen Faktoren. Die wichtige andere Hälfte ist demnach die Abwesenheit fördernder Faktoren.

Die logische Konsequenz aus der sich ergebenden Inkompetenz ist die Unfähigkeit Konsense zu bilden und faktische Argumentationen als Erkenntnisgewinn und Entdeckung neuer Werte zu formen. Die Folge: Verbale Verstümmelungen, Hasstriaden verachtungswürdigen Ausmaßes und grauenhaftes Benehmen. Man soll keines Wegs überdramatisieren, doch ich sehe eine innerpolitische, gar eine ethische Krise in eDeutschland. Das Erschreckende bei der Feststellung dieses Problems ist wiederum nicht ihr Inhalt, sondern die ihr Halt bietenden Säulen der Sturrheit, Verblendung und mutwillig und bewusst herbeigeführten Ignoranz der eigentlichen Ziele zum Zwecke der Diffamierung eines verbalen Gegenübers.

Die Krönung der Diffamie gibt sich die eDeutsche Republik, indem sie diese Umstände hinnimmt und sich die Saat der Fäulnis gebetsmühlenartig jeden Tag aufs Neue serviert. Ich will nicht verschweigen, dass manch einer aufbegehrte, vielleicht sogar Viele; und doch: Einen Fortschritt gab es nicht!

Ethische Dialogformen - Wie soll das helfen?
Ein zentrales Anliegen der auf Ethik beruhenden Dialogform ist der Erkenntnisfortschritt und die daraus resultierende Erfassung von Werten bei Beachtung der dem Individuum notwendigerweise zuzusprechenden Integrität. Vernachlässigt man die Werte-Bestimmung zu Gunsten eRep-bezogener Wichtigkeiten, kann man den Umgang im Dialog als maßgebendes Kriterium isolieren. Im Folgenden werden einige Unterpunkte ethischer Wertformen thematisiert.

Vorwort
Wer eine Palette der Tugendhaftigkeit erwartet und eine omnipräsente Herablassung meinerseits, wird enttäuscht werden, da ich derlei Wertformen nicht als Tugenden abschreiben kann, sondern vielmehr als zugehörig zum modernen Umgang in einer modernen Gesellschaft ansehe. Toleranz ist also KEINE Tugend, sondern ermöglicht neben gewissen Zwecken auch den Fortschritt in der Erkenntnis als solche. Man darf also nicht pauschal sagen: "X handelt gut, weil er tolerant ist", sondern man ist genötigt zu behaupten "X handelt nicht gut, wenn er das Kriterium der Toleranz gegenüber eines Individuums nicht achtet". Dies gilt auch für alle anderen Unterpunkte. Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass der moralische Anspruch einem Paradoxon gleicht, geht man von den konkreten Ausformungen der Unfähigkeit in eDeutschland aus. Diesen Kritikpunkt möchte ich dahingehend entkräften, als dass jener nicht das Potential der Individuen als solche schätzt und ein gutes / aufrichtiges Menschenbild ablehnt. Wie auch bei Kant wird es für die Annahme der Wertformen keine ultimate Begründung geben, aber der Versuch der Letztbegründung wäre um einiges sinngebender, weil sie auf der Gleichberechtigung der Individuen fußt.

Toleranz
Ein wichtiger Aspekt beim verbalen Schlagabtausch ist die Toleranz. Das Wort wird gerne benutzt und für jegliche Zwecke missbraucht. In seiner Ursprungsform (lat. ferre) heißt es so viel wie "erdulden, erleiden, ertragen". Ich beziehe mich auf meine eigenen Erfahrungen, wenn ich sage, dass diese Bezeichnung sehr zutreffend ist, weil z.B. die Entkräftung des eigenen Argumentes manchmal viel Toleranz abverlangt. Es handelt sich auch um eine Art Eingestehen: Ich gestehe Person X ein, dass sie als Individuum einen freien Willen hat und demnach meiner Ansicht divergente Argumente anführen kann, um mich von eben diesen konträren Auffassungen zu überzeugen. Wichtig ist auch der implizierte Dualismus: Es ist unbedingt notwendig, dass man Aussage X und Y als wahrheitsgemäß ansieht, gleichwohl X und Y sich widersprechen mögen. Denn erst durch den Wahrheitsanspruch kann man den Vergleich an sich starten: Gesteht man einer Aussage keinen wahren Gehalt ein bzw. den Anspruch eines Wahrheitswertes, so ist die Dialogform durch Vorverurteilung verzerrt oder gar sinnfrei. Der freie Wille mit unendlich vielen Wahrheitsansprüchen muss als existent angesehen werden, wenn man auf einer gleichberechtigten Ebene arbeiten möchte.

Respekt
Kaum ein anderer Begriff ist so vielschichtig wie dieser. Wenn ich von Respekt spreche, betonte ich damit die Notwendigkeit, sein Gegenüber als eine Art metaphorisches Spiegelbild zu sehen: Du respektierst X in seinen Handlungen, seinem freien Ideengeist und dem individuellen Schaffen. X hat genau dieselben Rechte und Ansprüche wie du und darf diese genau so geltend machen wie ich. Alle Werte, die ich für mich als vernünftigerweise gültig ausformen wollen würde, kann ich auch für X denken und sollte sie entsprechend berücksichtigen (Empathie als Endform).

Vernunft
Eine heute unverzichtbare Basis der Argumentation ist die Vernunft und denkerische Logik. Man geht von rationalen Argumenten aus, die sein Gegenüber anbringt und ggf. durch konkrete Beispiele veranschaulicht. Ohne das rationale Argumentationsschema wäre zwar der intersubjektive Austausch gegeben, jedoch kein Erkenntnisfortschritt, den man sich in unserer Lage aber als verschuldet ansehen muss. Denn ungelöste Probleme erfordern neue Erkenntnisse und die letztliche Ausformung von allgemeingültigen Aussagen, die für alle Beteiligten als nachvollziehbar angesehen werden können. Wenn ein Subjekt diese Wertform nicht ernst nimmt, kann es nicht zur Erkenntnis beitragen, zudem es sich aber verantwortlich zu fühlen hat.

Unvoreingenommenheit
Intersubjektive Erfahrungen kriegen ihren realen Wert erst in heterogenen Vergleichsgruppen. Auf Deutsch: Ein Wert wird erst in einer sehr gemischten Menschengruppe charakteristisch. Jeder Mensch hat eine andere Geschichte, einen anderen Hintergrund und folglich auch nie vollkommen identische Ansichten. In diesem Pool ergeben sich durch zahlreiche Überschneidungen und Übereinkünfte konventionelle Werte. Wenn wir jedoch Stereotypien bedienen, verhaften wir uns in Irrwegen. Mit Vorurteilen nehmen wir uns quasi selbst die Möglichkeit einen gleichberechtigten Vergleich von Erfahrungen zu vollführen. Das hat fatale Auswirkungen: Man wird nie die Tangenten der zentralen Werte finden und so auch nie die gemeinsamen Punkte ausarbeiten können. Der Grundsatz muss daher lauten: Ich sehe den Menschen als gleichberechtigten, vorurteilsfreien Argumentationspartner. Um mal wieder den eRep-Bezug herzustellen: Wenn ein Metzte-Mitglied etwas schreibt, darf man genau so wenig vorurteilshaft eine weniger ernstgemeinte Antwort erwarten, wie man den Mitgliedern der LPP allgemein die Verhaltensweisen von Einzelindividuen aus der Partei per se zuschreiben darf. Macht man dies (was indes nicht selten der Fall ist), so wird die Unterhaltung an sich ad absurdum geführt, weil das eigentliche Ziel der Unterredung einem subjektivistischem Drang zwanghaft untergeordnet wird (z.B. der persönlichen Diffamierung).

Zielorientiertes Argumentieren
Auch ein wichtiges Thema: Das Ziel. Mit der Annahme, dass jedes Individuum aus gewissen Gründen auf ein gewisses Ziel hinarbeitet, muss die Zielsetzung zentrale Bedeutung bekommen. Der Dialogpartner sollte klar verstehen, was das Anliegen seines Gegenübers ist und welche Motivationen es für den Umstand der Unterhaltung gibt. Wer diesen Punkt überspringt, bringt einen an sich vielversprechenden Dialog in Gefahr zu einem langwierigen Streitthema ohne Einigkeit zu formen, der sich durch Unverständnis und halbwissentliche Vorstellungen seinem Ursprungszweck mehr und mehr entfernt.

Konsensfindung
Ein wie ich finde passender Abschlusspunkt in der Weihnachtszeit. Konsense werden als erfolgreiche Ergebnisse der Dialoge gefeiert, weil sie es schaffen, die vielen unterschiedlichen Ansichten unter eine universelle Ausformung zu stellen, die alle am Dialog Beteiligten im mehrheitlichen Maße annehmen und nachvollziehen können. Dabei ist extrem wichtig, dass kein einzelnes Individuum in seinen respektiven Eigenschaften durch den Vollzug des Konsens beeinträchtigt werden darf (a la Utilitarismus: Mord als gerechtfertigtes Mittel zur Vermehrung von Glück der Übrigen). Ich betone, dass es sich hier um eine idealisierte, erfolgreiche Wertform handelt: Nicht immer werden in der Politik Konsense beschlossen, dies hat meistens aber andersgeartete Folgen, die einen neuen Dialogversuch implizieren. Die Wertschätzung für die Übereinkunft von Meinungen ist ausschlaggebend für die Bereitschaft für Konsensfindung und definiert sogleich auch den Erfolg.

Ethische Werte - Mögliche Grundlage erfolgreicher Dialoge
Ich habe versucht darzustellen, welche Eigenschaften notwendig sein können, um erfolgreiche Argumentationen und ihre Dialogformen möglich zu machen. Die ethischen Werte, die hier bestimmt werden, liegen außerhalb von eRepublik, ob man mich nun dafür verteufeln mag oder nicht, vertrete ich also weiterhin die Ansicht, dass eRepublik ohne RL-Bezug unmöglich ist (auch die Problemlösung). Indem man sich nach den o.g. Maßstäben orientiert, eine wahrheitsbezogene Existenz von Konträrem zulässt und den Erkenntnisfortschritt als ernsthaftes Ziel anstrebt, kann eine erfolgreiche Basis für künftige verbale Konfrontationen geschaffen werden. Sodann würde man vielleicht trotzdem noch Zeuge mancher persönlicher Anschuldigungen werden, doch wäre mindestens der Erkenntnisfortschritt gegeben und ein übergeordnetes Ziel eDeutschlands thematisiert: Sich selbst zu bessern (Gedanke: Vom Individuum zum Kollektiv), sein Land von innen heraus zu stärken und durch die Einhaltung grundlegender ethischer Wertkomponenten sich selbst Wert zu schätzen und in der gesamten eWelt als geheimes Vorbild zu gelten.

Euer gleichberechtigtes Subjekt,
dj