Vom Urvertrauen zum notorischen Lügner

Day 1,607, 08:37 Published in Germany Germany by djnewdream

Glaubt man den Thesen von Charles Dawin, so sind unsere heutigen physischen und psychischen Funktionen Ergebnis langer Adaptionsprozesse der Evolution. Man sollte daher auch meinen, die Funktionen, die uns erhalten geblieben sind, erfüllten ihren Zweck und dienen einer höheren Sache. Doch betrachtet man mal ganz nüchtern den Begriff des "Urvertrauens", wie ihn Erik Erikson charakterisierte, kann man den Eindruck gewinnen, dass die Natur sich auch ab und an offensichtlich nutzlose Funktionen gönnt.


Wir alle kommen als kleine, naive Babys zur Welt. Ganz unschuldig, rein und im nächsten Augenblick mit vollen Windeln, die Eltern irgendwie glücklich machen. Auch Homer hat mal so angefangen. Kleinkindern sagt man Urvertrauen nach. Sie haben ein "blindes Vertrauen" in Mama und Papa. Sie schreien, quengeln, stinken und lächeln mit großen unschuldigen Augen. Und schon tanzen Mama und Papa auf Kommando.

Mit Menschen wie diesen können wir leider noch nicht so viel anfangen, sind sie doch viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Irgendwann werden sie aber größer, gehen zur Schule und freuen sich solange auf den Weihnachtsmann, bis die kalte Realität entblößt, was kein naives Kind wissen wollte: Der Weihnachtsmann wird im Fernsehen erschossen, damit hat es sich wohl erledigt. Nie wieder Weihnachten. Auch scheinen die Kinder im Kindergarten nicht ganz fair zu sein. Sagt der eine große Junge doch immer, dass er mich mag, nur danach schlägt er mich immer.



Man merkt schnell, dass die Welt eine andere zu sein scheint, als sie sich gibt! Nachdem also schon der Weihnachtsmann tot in der Flimmerkiste liegt, wenden sich auch alle anderen Menschen mit hinterlistigen Plänen von einem ab. "Scheiß aufs Urvertrauen, das ist eine große Lüge! Ich bin jetzt nicht mehr naiv, nicht mit mir!"

So oder so ähnlich hat sich Homer das wohl auch gedacht, wurde er aber doch (zum Glück!) nie richtig erwachsen und blieb immer ziemlich naiv. Kommen diese Menschen in das eRepublik-fähige Alter, hat man den Salat: Kein Vertrauen, eine verzerrte Meinung, blödes Gesülze von "Ihr seid alles Idioten" und Verschwörungstheorien zu jedem Thema. Skepsis und Misstrauen haben sich in unserer Welt als gesund erwiesen, will man nicht innerhalb einer Woche mit leeren Händen auf der Straße stehen oder riskieren, dass einem der Lolly weggenommen wird.



Hatte Darwin also unrecht?! Ist das Urvertrauen gar nicht eine Folge von evolutionärer Adaption, sondern eine eher nutzlose Komponente in unserer Gesellschaft? - Ja!

Jeder lernt auf gewisse Weise in seiner Kindheit den Unterschied zwischen "höflich sein" und "ehrlich sein". Dass wir mit Ehrlichkeit in der Regel nicht so gut fahren wie mit Höflichkeit, ergibt sich ja daraus, dass keiner die Wahrheit hören will. Wer will sich schon den Idealismus von irgend so einem Loser kaputt machen lassen?!

Aber mal ehrlich, wozu das dumme Urvertrauen? Wenn alle später zu notorischen Lügnern werden, weil sie es nicht mehr anders in der Welt aushalten, wozu diese Funktion aufrecht erhalten? An sich gibt es aus jetziger Sicht keinen plausiblen Grund mehr, sie zu verteidigen. Auch das Argument, es helfe bei Eltern-Kind-Beziehungen, ist schlicht unbrauchbar, gibt es doch mehr als genug Funktionen, die dafür sorgen.

...aber ganz vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit. Man könnte ja auch versuchen zu verstehen, warum es dieses Urvertrauen überhaupt gibt. "Blindes Vertrauen" hört man doch recht oft im Zusammenhang mit besten Freunden, die man schon vom Kindesalter an kennt. Natürlich, woanders kann man die ja auch schwer kennen lernen! Da waren ja noch alle naiv und niedlich!

Da fragt man sich zu Recht, wie man seine besten Freunde überhaupt noch kennen gelernt hat. Aber irgendwie hat man ja ein paar Freunde vorzuweisen, von denen einige vielleicht das Schema des "blinden Vertrauens" erfüllen.

Einige Menschen, wie z.B. auch Jürgen Schmieder, haben den ultimativen Selbstversuch gemacht und waren nur noch ehrlich. Das Ergebnis ist kaum verblüffend, aber umso erschreckender: Alles geht in die Brüche. Wäre man also dauerhaft ehrlich, läuft man auf dem Holzweg. Studien belegen, dass die Menschen durchschnittlich mehr lügen als ehrlich sind. Und das alles nur, weil man ehrliche Dinge mit negativen Aspekten nicht vertragen kann, das Ego ist einfach zu groß und unsere Wohlstandspsychologie kann das nicht ohne negative Emotionen verarbeiten. Aufrichtiges Interesse am Beseitigen von Fehlern wird nur noch als Provokation empfunden.

Liebe eRepublikaner, vielleicht ist das "Urvertrauen" heute nur noch ein Symbol für etwas, was wir nicht mehr wahrnehmen. Vertrauen ist dünn gesät, gebraucht wird es aber wie Sand am Meer. Ein Beispiel für Vertrauen findet man in den einzelnen Untergruppierungen von Military Units und paramilitärischen Einheiten. Ohne Vertrauen läuft der Laden nicht, und alleine kann man eben nicht die Welt retten. Vielleicht können wir ja ab und zu doch mal über unseren Schatten springen, Fehler zugeben, Wahrheiten aussprechen und Vertrauen zeigen, um dieser scheinbar sinnlosen Funktion "Urvertrauen" wieder einen Sinn zu verleihen.



Was können eRepublikaner aus der Entwicklung lernen?
- Niemals ehrlich sein, Politiker stets loben
- Kritik immer im Schleier der Höflichkeit formulieren
- In keinem Fall Kinder mit dem Weihnachtsmann enttäuschen
- Stillschweigenden Aufruf zum Baby-Boom wahrnehmen
- Zusammenrücken und gemeinsam Rücken zeigen, eRep wird's dir danken!
- (Fuck off Mainstream-Lügner, ich will anders sein ihr Idioten!)

Euer vertrauensvoller Lügner,
djnewdream