Erben des Imperiums [Teil 2]

Day 1,499, 09:17 Published in Germany USA by PecattiSyn


An der Grenze
Missmutig trotte ich der Menge hinterher. Erwacht aus meinen Gedanken befinde ich mich wieder an der Grenze zur Einöde. Nur ein paar Schritte weg von Yremag, dem toten und verfluchten Land. Nach ein paar Minuten Fußmarsch sind wir im Kommandadobunker und nach dem jeder die ganzen Kontrollen durchgegangen ist geht es in den spartanisch eingerichteten Schulungsraum.



Nachdem jeder Platz genommen hat tritt ein bulliger Offizier der internationalen Grenztruppe vor uns beginnt einen Vortrag.
"Was ich ihnen nun mitteilen werde ich sehr wichtig. Hören sie also gut zu"
Noch während er den Vortrag mit monotoner Stimme runter leiert merke ich wie meine Augen immer schwerer werden. Und schwerer wird es den Vortrag zu folgen.
Und dann wird es dunkel und in meinen Gedanken bildet sich eine weitere Passage aus Yremag...

Früh am Morgen
Die Sonne scheint auf mein Gesicht und ich wache auf der harten Parkbank auf. Oh! tut mir der Rücken weh! Ich hätte doch lieber die dicken Kataloge nehmen sollen und nicht nur die dünnen Tageszeitungen.
Kaum bin ich aufgestanden da fällt mir auf das irgendjemand mir einen Brief in die Tasche gesteckt hat. Ebenfalls versiegelt mit einem goldenen Zeichen. Aber nicht dem des Kaisers
Keine Lust sich groß darüber zu wundern wer mir die Nachricht zugesteckt hat mache ich sie einfach auf und beginne zu lesen. Das meiste ist recht irrelevant, das Ministerium für Liebe und Gemeinschaft schreibt mir.
Eine Textstelle fällt mir besonders auf
"...und letztlich wissen wir natürlich, Sie sind genau so ein Jammerlappen wie jeder andere auch. Aber auch sie können zumindest etwas mehr aus sich machen als einen stinkenden toten Kadaver abzugeben, da haben wir vollstes Vertrauen zu Ihnen. Sollten Sie es mal soweit bringen um sagen zu können Sie haben etwas Gold dann schreiben Sie uns an. Wir vermitteln Ihnen dann eine wundervolle Wohnung, mit bester Lage und herrlichen Ausblick..."*

Das Schreiben erst mal so hinnehmend verspüre ich Hunger. Zeit von meinem sauer verdienten Geld etwas Ordentliches zu essen zu kaufen! Also auf in die Staat und schön essen gehen. Doch kaum bin ich dort angekommen muss ich feststellen, dass die feinen Restaurants nix für meinen Geldbeutel sind. Reiche Industrielle und Regierungsbeamte essen da. Also auf zum nächsten Ziel, auf zur Kneipe! Doch auch hier schnell die Ernüchterung. Hier gibt es nix in meiner Preislage, dafür kann man hohe Armeeoffiziere und uralte Facharbeiter mit enormer Erfahrung ein und aus gehen sehen.
Na egal, es gibt ja noch den Schnellimbiss. Und erneut ein Halt.
Für ein halbwegs sättigendes Mahl muss ich ja eine Woche arbeiten. Zumindest müsste ich das bei meinen Lohn. Erst nach einigen Suchen finde ich etwas in meiner Preislage. Sparbrot mit Fleischeinlage
Aus Kostengründen gleich zusammen gebacken.



Naja halb so schlimm. Sicherlich werden schon bald die Löhne steigen und selbst ich kann schon in wenigen Tagen das große Geld verdienen. Wobei...
Verdienen tue ich es ja jetzt schon. Muss es nur noch bekommen!
Auf dem Weg zur Arbeitsstelle komme ich an verschiedenen Zeitungsläden. Groß sind die Schlagzeilen darauf. Es geht um den Krieg
Yremag ist dabei sich zu erweitern und es wird von Erfolgen in der Gegend von Kleinzschöchergen berichtet. Es gelang einen feindlichen Angriff abzuwehren und nun rücke man selber gegen Stellungen bei Großgörschen vor. Der Krieg verläuft gut und der Gottkaiser soll wohl etwas von einem baldigen Sieg gesagt haben.
Im kaiserlichen Senat wird über das Für und wider in der Steuerpolitik gestritten und eine Gruppe Liberalisten fordert den kaiserlichen Segen für eine Arbeitsgruppe. Nach langen Vorbereitungen sei man entschlossen eine für das Kaiserreich angemessene Gesetzestafel zu erstellen damit man sich nicht mehr alles merken muss und das Leben endlich festgeschrieben ist. Natürlich ist das ein zähes Thema aber man ist sich sicher in den nächsten Tagen handfeste Ergebnisse präsentieren zu können. "Wartet nur ab!" lautet die Parole dazu.
Nun bin ich erst recht aufgeregt. In so eine spannende Zeit hinein geraten zu sein wo sich große Ereignisse anbahnen. Ich sollte dem Schicksal dankbar sein.

Moderne Zeiten
Kaum bin ich auf Arbeit angekommen müssen wir zu einer Betriebsversammlung.
Es soll neue Arbeitsanzüge geben! Also nichts wie hin.
Stolz schreitet unser Vorarbeiter zum Rednerpult und beginnt eine kurze Ansprache "Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Endlich hat der kaiserliche Senat sich zu einem mehr als notwendigen Schritt durchgerungen. Auf Drängen des Adels- und Industriellen Verbandes wird wieder der 14 Stunden Tag zu Ehren des Kaisers eingeführt und zu eurem Wohle werden ab sofort Rückenfreie Jacken, T-Shirts und Hemden bei der Arbeit getragen. Noch während ich mich auf den Rückweg zur Arbeit wundere bekomme ich schneller als mir lieb ist die Gründe für die merkwürdig aussehende Uniform mit.
Kaum bin ich an der Arbeitsstelle da knallt die Peitsche. Durch die rückenfreie Bekleidung bekommt man den Schmerz nicht nur voll mit, die Kleidung bleibt auch heil. Und so wird das monotone Arbeitsgeräusch nur durch das Knallen der Peitsche und dem ständigen "Los! Schneller! Mehr schuften!"
Doch auch dieser Tag geht vorbei. Mit einem wunden Rücken, einem Hungerlohn und der Gewissheit, dass es bald besser und vor allem anders wird trete ich meinen Weg zum Übungsgelände an. Nachdem ich auch dort fertig bin weiß ich dass es so natürlich nicht weiter geht. Schon bald wird sich alles ändern, ich werde mir nicht mehr jeden Tag dieses elende Arbeiten antun sondern werde aufsteigen in höhere Sphären. Spannend ist noch Training und wie schnell man voran kommt. Sicherlich kann ich bald in höherem Liegen kämpfen. Wenn ich denn dann überhaupt mal kämpfe…
Das Training ist zwar genau das gleiche wie gestern macht aber trotzdem Spaß.
Und so gehen die Tage rum, arbeiten, Lohn kassieren auch wenn es sich nur um ein paar Almosen handelt, trainieren für den Krieg, bekomme graues geschmackloses Dosenbrot vorgesetzt und lege mich dann wieder auf die Parkbank nachts zum schlafen.

Parteiensuche
Langsam wird es für mich Zeit meinen Weg für die Zukunft festzulegen. Um es zusammen zu fassen, praktisch kann ich nicht viel und außerdem mache ich mir nicht gern die Hände schmutzig. Daher wird wohl Militär nix für mich werden und für eine Karriere in der Wirtschaft fehlt mir etwas Geriebenes. Aber für die Politik, da braucht man nix weiter. Also nichts wie hin!

An sich ist das System ja nicht schwer, jedem steht es frei Veränderungen zu machen wenn er dabei den Stand des Kaisers nicht verändert, sich nicht mit anderen anlegt und am besten eine Idee vorbringt die jedem auf Anhieb gefällt. Klingt doch nicht schwer, oder?
Dazu muss ich mir eine Partei suchen über bzw. mit der ich meine Karriere mache. Also ab auf die örtliche Parteienmesse und schauen was Yremag so an interessanten und abwechslungsreichen Parteien zu bieten hat. Die Messe ist schon von weitem zu hören. Aufgeregtes Gebrüll begleitet von großen Ansagen und Werbesprüchen. Der gemeine Neuling und Wähler wird dicht gedrängt an den Ständen vorbeigetrieben. Und noch während man sich selber noch zu orientieren versucht, da schauen einen die Parteikader und Werber mit ganz anderen Augen an.



Die Bezeichnung Wahlvieh ist allerdings in Yremag nicht konform und darf nicht verwendet werden.
Doch davon weiß ich noch nix. Erst mal gehe ich zum ersten Stand. Die Grauen Stufen besitzen den größten Stand auf der Messe. Sie sollen eine sehr große Partei sein. Das Motto „In der Mitte sein und offen für alles“. So gleich spricht mich auch ein Werber an. „Interesse an den Grauen Stufen? Wir sind eine Partei für Jeden. Politik ist eine ernste Sache, aber wir glauben dass sie nicht schlimm sein muss. Wir stehen für nichts ein, wir äußern uns zu nichts und wir beteiligen uns nicht an politischen Diskussionen. In dem wir politische Machtkämpfe und Diskussionen meiden wo man nur ausfällig wird, leisten wir unseren Beitrag zur Harmonie in Yremag. Unser Sprung in die Regierung des Kaisers wird so gewährleistet“

Plötzlich eine laute Stimme „Euer Sprung? Ja den habt ihr aber in der Schüssel! So breit!“ dabei gestikuliert der Schreihals wild und spreizt Daumen und Zeigefinger weit auseinander. Dann legt er seine schwere Pranke um meinen Hals und führt mich entschlossen an seinen Stand. „Hör nicht auf diese Langweiler! Hier wird die wahre Politik gemacht. Willkommen bei den Lila Socken!“ Das Programm ist schnell erklärt. „Wir sind eine Partei die weiß worauf es ankommt. Der kleine Mann muss gefördert werden! Das Wie ist unser Geheimnis! Nicht dass es uns die Konkurrenz klaut! Wichtig ist, dass alles zentral organisiert ist und jeder ein gesichertes Mindesteinkommen hat. Das ist sozial! Das ist gerecht! Natürlich muss es hier ein paar Leitfiguren geben die der ständigen Gefahr der Dekadenz ausgesetzt sein müssen. Doch diese Leute haben gelernt dem zu widerstehen und werden daher alles was zusätzlich an Gewinn reinkommt zu treuen Händen verwalten. Der Arbeiter fügt sich freiwillig in das gerechte Los und bekommt dafür alles was er zum Leben und Überleben wirklich braucht. So wird Politik gemacht, so wird der Kaiser auf uns aufmerksam und ich sage dir so schaffen wir unseren Hops in die Regierung! Jawohl! Ein Hops muss durch Yremag gehen!“

Noch während er zur nächsten Passage ansetzt verschwinde ich heimlich zum nächsten Stand. Der besonders viel Wert auf Prunk in der Dekoration legt. Reich verziert kündigt sich hier eine einflussreiche Partei an. Es ist der Stand der Filzspinner, einem Industriellenverband der für seine Lobbyarbeit bekannt sein soll. Gelangweilt schaut der Werber von seinem Damenunterwäschekatalog auf. „Ja, willkommen bei uns usw. Du stehst hier vor einer ganz exklusiven Partei. Schon mal in der Regierung gesessen? Im Senat? Wenigstens genau so cool und fantastisch wie wir? Nein? Tja Pech gehabt, so jemanden wollen wir nicht, kannst uns aber gern wählen. Vielleicht erbarmen wir uns irgendwann. Denk daran, nur Leute die so cool sind wie wir Filzspinner werden automatisch in die Regierung gehoben. Wir müssen nicht in die Regierung selber streben…“

Wie vor den Kopf gestoßen taumele ich zum nächsten Stand. Die Beamtenpartei lockt mit mausgrauem Look. „Ja, wir brauchen mehr Gesetze und Verordnungen. Für uns ist es unbegreiflich wie es die Leute bisher geschafft haben sich selbstständig anzuziehen und auf Arbeit zu finden. Ich meine es hat bisher funktioniert aber ohne entsprechende Regellungen. Das kann so nicht weiter gehen! Daher ist es extrem wichtig, dass wir endlich zu mehr Regulierungen greifen und Gesetze mit Segen des Kaisers verabschieden. Auf diese Art und Weise werden wir dann auch irgendwann mal einen Hüpfer in die Regierung machen.“ Beeindruckt von diesem Vortrag spiele ich gleich mit dem Gedanken beizutreten. Doch da scheint es Probleme zu geben „Wie? Du möchtest jetzt beitreten? Also ich meine gern, aber da kann ich dir jetzt keine Aussage zu machen. Da muss ich erst die Partei fragen, wir müssen das ausdiskutieren und eine Abstimmung machen. Aber keine Sorge, wir würden so schnell wie möglich bei dir melden.“

Nun denn, so habe ich zumindest Zeit mir weitere Angebote anzuschauen. Der letzte der 5 großen Stände gehört den Militaristen. Auf den Weg dorthin raunen mir einige Leute böse Gerüchte zu. Die Leute dort hätten noch nie groß gekämpft, sind nicht mal Mitglieder der Armee oder hätten überhaupt jemals was geleistet. Fraglich ob sie es jemals tun werden. Trotzdem schaue ich mal hin und entdecke eine Gruppe von Reportern die aufgeregt über einer Broschüre der Militaristen hockt.
„Und da! Da ist auch noch ein Fehler drin“ Der Rest beugt sich über die betreffende Stelle „Wartet! Irgendwo hatte ich einen Kommafehler gesehen!“ Was hier gerade gemacht wird ist die übliche Form der politischen Berichterstattung in Yremag. Aber dazu später noch mehr.
Zuerst höre ich mir das Programm der Militaristen an. Es geht um Krieg und Eroberungen und der bedienungslosen Unterstützung der kaiserlichen Streitkräfte und irgendwo ist noch von einer freien Wirtschaft die Rede. Nachdem ich mich auch da durch gequält habe kommt der Moment der Entscheidung. Ich wähle eine Partei in der ich meine Laufbahn antreten will.
Und diese Partei ist…

Und wieder in der Realität
„Hey!!! Hier wird nicht gepennt." Unsanft stößt mir jemand sein Ellenbocken in die Seite. „Los! Es gibt was zu essen und nach der Pause geht es weiter.“
Essen? Trinken? Schnell eile ich los in der Hoffnung dass man noch nicht den ganzen Fisch vom Buffet gegessen hat.

Fortsetzung folgt…

Anmerkung des Übersetzers
*Der ein oder andere Leser wird sich vielleicht über den Ton in Gesprächen und Texten aus Yremag wundern. Auch ich habe versucht zu ermitteln ob man wirklich damals so miteinander gesprochen hat. Und leider entspricht das der Tatsache. Die Bewohner Yremags müssen sich auf den Höhepunkt ihrer Macht und ihres Glanzes so überheblich gefühlt haben, dass man sich in einer Art und Weise unterhalten haben wie es nicht mal in den übelsten Gegenden von eDeutschland macht. Wir sollten dankbar sein dass wir in einer weitaus zivilisierteren und vor allem gesitteten Welt leben wo man sich noch gegenseitig respektiert.