[IBZ - 10/2010] Saramago im Gespräch: Die Verfassungsdiskussion

Day 1,001, 12:59 Published in Germany Germany by Anonyme Autisten

Pünktlich zur Jubiläumsausgabe der “Intelligenzbefreiten Zone” präsentieren die Anonymen Autisten eine ausführliche Diskussion mit Saramago.

Zum Thema der heutigen Ausgabe:
Die Diskussion um eine eDeutsche Verfassung hat zweifellos einen langen Bart. Doch selten wurde eine eVerfassung so breit und ausgiebig diskutiert wie zuletzt. Eine der treibenden Kräfte der Verfassungsbefürworter ist Saramago, Botschafter in eSpanien und Ex-SPeD-Vorsitzender. Die Anonymen Autisten haben sich ausführlich mit Ihm als Privatperson über die Möglichkeiten, Mühselikeiten und Mutationen einer eVerfassung unterhalten. Da das Interview etwas lang geraten ist haben wir es etwas gekürzt. Das komplette Interview finden Sie hier.

Bei einer so kontroversen Debatte ist ein “normales” Interview kaum möglich, weshalb die Fragen sicherlich etwas kritischer ausfallen als üblich. Die Anonymen Autisten möchten jedoch betonen, dass sie in der Verfassungsfrage absolut neutral sind und eine Grundüberzeugung der Redaktion deutlich machen: Kritische Fragen in einem Interview/Gespräch geben dem Gegenüber die Möglichkeit konkret zu antworten und Vorwürfe/Gegenargumente zu entkräften. Wir wollen keine “Wahlkampf”-Interviews als pure Stichwortgeber. Das scheint uns die ehrlichere Alternative zu Artikeln, auf die der Gegenüber nur in unübersichtlichen Kommentaren oder eigenen Artikeln antworten kann.

Doch genug der Vorrede, kommen wir zur Sache.
Die Anonymen Autisten



Saramago, Sie haben im Vorfeld des Interviews ausdrücklich betont, dass Sie sich lediglich als Privatperson äußern werden, nicht in Ihrer Funktion als Parteivorsitzender der SPeD. Warum diese deutliche Unterscheidung?
Diese Unterscheidung ist logischerweise erforderlich, weil es bisher keinen offiziellen SPeD-Standpunkt dazu gibt. Das erfordert einen Klärungsprozess und eine Abstimmung, nicht alle SPeDler sind für eine eVerfassung.

Sie haben es angesprochen. Die Fronten in der Verfassungsfrage laufen quer durch alle Parteien. Selbst in der SPeD, traditionell die Partei mit den meisten Verfassungsbefürwortern, gibt es prominente Kritiker. Braucht nicht aber gerade eine solche ingame nicht zu verankernde Verfassung eine sehr breite Rückendeckung im Volk?
Selbstverständlich braucht das breite Mehrheiten. Ich mache es mir ganz einfach: Eine eVerfassung wird erarbeitet, besprochen - und bekommt am Ende diese breite Mehrheit oder nicht.

Wie soll eine Verfassung Ihrer Meinung nach verabschiedet werden? Volksabstimmung? Kongressbeschluss? Quoren? 2/3-Mehrheit?
Kongress reicht sicher nicht. Eine Volksabstimmung wurde von den Ländern meist vorgezogen, die eine Verfassung bereits etabliert haben. Nicht einfach zu organisieren, aber vielleicht die Beste aller Möglichkeiten.

Wie genau hat man sich eine solche Volksabstimmung vorzustellen? Abstimmung im Forum? Wie hoch muss die Beteiligung sein? Gemessen an der Anzahl der Bürger oder der Wähler? Wie wurde das denn in anderen Ländern gehandhabt?
Es gibt alle möglichen Beispiel dazu in dieser eWelt. Ich will gar nicht entscheiden, wie das zu geschehen hat. Eine Verfassungskommission sollte sich über alle diese Dinge Gedanken machen und das ausarbeiten. Eine “Koalition der Willigen”; Leute, die Interesse daran haben, dass wir eine Verfassung bekommen, parteiübergreifend und völlig unabhängig von politischen Ausrichtungen.
Tatsächlich wird auch schon an einem Entwurf gearbeitet von denen, die sich dafür interessieren. Ich erwarte im August handfeste Neuigkeiten in dem Thema.


Können Sie dem Leser verraten, wie in anderen Ländern eine Verfassung beschlossen wurde?
Die Spanier zum Beispiel haben eine Verfassung ausgearbeitet, die ich für gut hielt, weil sie die angenehme Mischung zwischen Regelung und Flexibilität bot.. Der erste Versuch ist schon vor einer ganzen Weile im Kongress durchgefallen, weil der Filz seinen “Wirkungsradius” nicht beschnitten sehen wollte, um es charmant zu sagen. Jetzt, nach den internen Raubzügen aus Erfahrung klug und mit einer progressiveren Regierung, soll es eine Volksabstimmung werden. Zwischendurch hat man soeben einen Gerichtshof und das zugehörige Strafgesetzbuch entwickelt, was mit einer existierenden Verfassung sicher entscheiden einfacher gewesen wäre.

Italien hat auch eine Verfassung.
Die Italiener haben eine Bibel entwickelt, inklusive Altem und Neuem Testament. Darin ist wirklich alles geregelt, bis zur Farbe der Unterhose des Präsidenten vermutlich. Eine Verfassung, die keinen Zweifel offen lässt, aber auch keine Optionen mehr. Wahrscheinlich zittert man innerlich vor Korruptions-Angst, wenn man im RL einen Berlusconi als Regierungschef hat und kann nicht anders.

Was sollte eine Verfassung grob gezeichnet enthalten und was nicht?
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder beschränkt man sich auf die möglichst genaue Beschreibung von Handlungsabläufen oder nicht. Beides ist aus meiner Sicht legitim. In der ersten Version also ausschliesslich Gesetzgebung, was muss mit zwei Dritteln beschlossen werden und was nicht, Zuständigkeiten, Beschreibung und Funktionieren von Staats-Organisationen und all das.
In der zweiten Version hätte man die Möglichkeit, auch noch angestrebte Ziele zu definieren, ohne die Handhabe, auf tatsächliche Verhaltensweisen später Enfluss nehmen oder sie gar sanktionieren zu können.


Wie können wir uns das konkret vorstellen?
Als Beispiel könnte der Verfassungstext also enthalten “PTO´s im Ausland sind als Kriegstaktik erwünscht, werden im Inland als schädlich angesehen”. Oder eben ganz anders: “PTO´s gehören zu diesem Spiel und sind damit legitimes Mittel im In- und Ausland” - ganz egal, welche Version man gerade vorzieht.
Grundsätzlich wird die zweite Version viel zu oft als die Version des “moralischen Zeigefingers” betrachtet. Das halte ich für falsch. Sollte es möglich sein, eine breite Mehrheit dafür zu finde, irgendwelche Ziele zu definieren, würde ich nicht darauf verzichten wollen.
Generell aber glaube ich, dass die rein “technokratische” Version einfacher zu erstellen ist, eher eine breite Mehrheit findet und überhaupt besser zu Deutschland passt. 😃 (Bitte dazu unbedingt nicht nachfragen) 😛


Kaum jemand wird widersprechen, wenn Sie sagen, dass sich bei einer “technokratischen” Version eher eine Mehrheit finden wird. Aber wäre eine Beschreibung des Ist-Zustandes wirklich eine Verbesserung? Könnte diese nicht bei spontanen Änderungen der Spielmechanik sogar hinderlich sein?
Gute Frage! Ganz sicher ist es eine Verbesserung, wenn eine Verfassung Gesetzesabläufe regelt (siehe die derzeitige Bundestagsdiskussion, welches Gesetz wohin gehört und welche Mehrheiten es braucht). Wenn es morgen eine Politikmodul-V2-Version gibt, kann das alles Makulatur sein. Deswegen muss man die eVerfassung anders sehen als die im realen Leben – weniger verbissen, etwas … latino-mässiger. 😃

Eine Verfassung ist in eRepublik nicht vorgesehen. Sie lässt sich nicht in das Spiel selbst integrieren. Dennoch brauchen wir eine?
Das einzige Argument gegen eine eVerfassung, das garantiert nicht zieht, ist die Tatsache, dass es in der Spielmechanik nicht vorgesehen ist. Sonst schaffen wir Minister ebenso ab wie in V1 die Erste Hilfe oder die Bundeswehr.

Aber niemand bezweifelt den Sinn von Ministerposten. Den einer Verfassung hingegen schon einige. Wird letztlich auch Zeit und Erprobung einer zu beschließenden Verfassung zu Ihrer Akzeptanz führen?
Niemand bezweifelt den Sinn von Ministerposten. Es gibt aber zum Beispiel Leute, die der Überzeugung sind, Minister sollten vom Präsidenten ernannt, aber vom Kongress abgesetzt werden können. Auch dazu kann eine Verfassung Stellung beziehen beispielsweise. Demokratie ist ein Prozess, nicht eine Konstante. Selbstverständlich müssen Erfahrungen ständig zur Veränderung führen.

In eRepublik herrscht ein ständiges Kommen und Gehen an Charakteren. Ist da ein kontinuierlicher Prozess überhaupt möglich oder sind wir dazu verdammt bestimmte Themen mit jeder neuen Generation von vorne durchzukauen?
Ist das im realen Leben anders? Als ich Vorsitzender meiner RL-Partei wurde, bin ich in den Keller gegangen und habe angefangen umzuräumen. Da blieb kein Stein auf dem anderen. Grosses Geschrei im Saal: “Dashaben wir immer schon so gemacht!” oder “Das hat noch nie funktioniert”! Es braucht ein breites Kreuz, mit dem dicken Besen durch ein Museum zu fegen und sich trotzdem nicht beirren zu lassen.
Später, als ich beruflich zu sehr eingebunden war, gab es einen aneuen Vorsitzenden. Ich habe ihn aufgefordert, die Bude wieder richtig aufzumischen und habe mich grinsend hinter mein Glas Wein zurückgezogen, während ihm die Rufe entgegen schallten “Kommt nicht in Frage, das haben wir unter Saramago immer anders gemacht”.
Mit Lebensalter oder Spielalter hat das nichts zu tun. Erst wer sich auf Veränderungen nicht mehr einstellen und damit nicht mehr umgehen will, ist wirklich alt und sollte sich zuruckziehen.


In der Debatte und verschiedenen Vorschlägen werden immer wieder Verfassung und Strafgesetzbuch zusammengeworfen Dürfen in der eVerfassung Ihrer Meinung nach konkrete Straftaten und Strafen überhaupt drinstehen?
”Dürfen” darf Vieles. Die Frage ist, was mehrheitlich als sinnvoll erachtet wird. Ich wäre bereit, mich klaglos all dem zu fügen. Es kann auch sein, dass die Diskussion anzeigt, dass ein Entwurf derart verwässert und entkernt würde durch die vielen verschiedenen Interessen, dass das blutleere Dokument eine Abstimmung gar nicht mehr lohnt. Alles möglich! Ich bin nicht der verkrampfte Verfechter einer eVerfassung, bin allerdings fest der Überzeugung, dass sich ein Versuch lohnt und angegangen werden sollte.
eVerfassung und Gerichtshof sind zwei verschiedene Dinge. Es ist nicht zwangsläufig so, dass man zuerst eine Verfassung schafft und darauf basierend einen Gerichtshof, erscheint aber zumindest als die logische Abfolge.


Der Logik folgend wird ein Staat auch meist auf einer zuvor entworfenen Verfassung begründet. Ist der Umstand, dass dies hier nicht (mehr) möglich ist, hinderlich?
Wenn Sie richtig hinschauen, definieren Verfassungsväter einen Entwurf auch dann nach ihrer persönlichen Version eines fertigen Staates, wenn die Verfassung zur Staatsgründung geschieht, insorfern ist der Unterschied nicht so gross.
Für mich ist der wichtigste Punkt an einer Verfassung sowieso die Diskussion darüber. Denn sie zwingt jeden, eine Sekunde im Tagesgeschäft innezuhalten und sich zu fragen “Was wollen wir überhaupt?”


Der Versuch ist schon mehrfach angegangen worden. Der eBundestag hat sogar vor mehr als einem Jahr mit zweifelhafter Mehrheit bereits eine umfangreiche (englische, damals noch Hauptsprache in eDeutschland) Verfassung beschlossen, die sich im Zuge des unmittelbar folgenden ePolnischen PTOs als vollkommen ungeeignet erwies und nie umgesetzt wurde. Droht nicht jeder Verfassung das Schicksal von neuen Entwicklungen überholt zu werden?
Es ist alles sehr schwierig, ich weiss. 😉 Natürlich ist es erstens nicht einfach zu entscheiden, was in eine Verfassung soll und was besser draussen bleibt. Zweitens darf gerade in diesem schnellebigen Spiel so ein Text keine heilige Kuh werden und muss Veränderungen gestatten mehr als im RL, aber das ist ja die Herausforderung.

Beim Lesen Ihrer Diskussionsbeiträge bekommt man den Eindruck, eine Verfassung könne vieles. Zum Beispiel Diebstähle verhindern. Ist dem wirklich so?
Hübsche Frage! 😉 Nein, natürlich kann eine Verfassung an sich keine Diebstähle verhindern. Aber selbstverständlich kann eine Verfassung (übrigens ist das nur ein Terminus, meinetwegen auch deutsche Geschäftordnung) Dinge enthalten, die den Staat immer etwas sicherer machen, wie die von der SPeD angeschobene Buchprüfung beispielsweise.
Der Standpunkt “ach, da kann man ja eh nix machen” ist für mich nicht akzeptabel! Selbstverständlich wird man Korruption und Kriminalität nie komplett besiegen können, doch fünf Prozent mehr Sicherheit sind fünf Prozent mehr Sicherheit für alle. Das is eine Menge! Wer sich also dagegen sperrt, solch eProjekte zu unterstützen; wer nur abwinkt statt sein Gehirnschmalz gefälligst in die Verbesserung des Vorschlags zu investieren, ist entweder ein destruktver Charakter - insofern unnütz für die Gesellschaft - oder hat Leichen im Keller - insofern schädlich für die Gesellschaft.


Wer also nicht an einer Verfassung mitarbeiten will ist unnütz oder schädlich für die Gesellschaft?
Nein! Niemand muss mitarbeiten. Ich spreche oft genug von der “Koaliton der Willigen”, sogar von der “Demokratie der Willigen”. Unnütz sind nur diejenigen, die Kreativität schon im Ansatz vernichten wollen. Diejenigen, die sich in darin suhlen, den nationalen Bedenkenträger zu spielen. Leute, die mir täglich erzählen wollen, was alles nicht geht, bevor es versucht worden ist, kenne ich schon zu viele.
Im Fussball werden Stürmer, die Spielzüge kreiren müssen, generell weit besser bezahlt als Verteidiger, deren Aufgabe reine Zerstörung ist. Dafür gibt es handfeste Gründe.


Im Zweifel kreieren eher die Mittelfeldstrategen, aber seis drum. Also lieber versuchen und scheitern als es erst gar nicht versuchen?
Mich hat jemand gefragt, was passieren müsste, damit ich mich auf dem Sterbebett richtig schlecht fühle. Die Antwort war: Ich kann fast jeden Rückschlag verkraften. Nur eine echte Chance zur Verbesserung einer Situation ausgelassen zu haben - das würde mich ernsthaft belasten.

Bringt die Buchprüfung denn wirklich auch nur ein bisschen mehr an Sicherheit? Der Finanzminister könnte doch wieder einfach mit der Staatskasse abhauen und wir ständen wieder mit leeren Händen da, wenn der Präsident nicht die Admins kontaktiert. Nur wissen dann eben zwei Abgeodnete mehr, wieviel genau geklaut wurde.
Unterschätzen Sie nicht die Reaktion der Strasse. In Spanien wurden erhebliche Summen gestohlen. Das Geld ist weg, nichts ändert etwas daran.
Trotzdem ergab die Tatsache, dass der Komplott aufgeklärt werden und die Schuldigen klar benannt werden konnten, einen erheblichen Unterschied. Wer bestiehlt wird, will die Schuldigen kennen und bestraft sehen., im Spiel nicht anders als im RL. Aber nochmal: Wenn es nur darum geht, Diebstahl nicht 100%ig verhindern zu können, sollten Sie sich in Hamburg und München das Geld für Polizei, Gerichte und Gefängnisse auch sparen. Alles sinnlos, es wird trotzdem geklaut.


Gobba wurde umgehend als Schuldiger erkannt und wird nun seit Monaten an den medialen Pranger gestellt, ganz ohne Verfassung. Brauchen die eBürger eine Verfassung um zu wissen, was recht und was unrecht ist?
Ja, ich verstehe auch nicht, was das ständige Geschrei soll. Ist doch alles nur “symbolisch” oder? 😃 Hier sieht man, wie sehr und wie lange Menschen betroffen sind, wenn die Gerechtigkeit mit Füssen getreten wird.

Halten Sie Ihre forsche Art die Verfassungkritiker anzugehen für geeignet diese von einer Verfassung zu überzeugen? Als Botschafter dürften Ihnen ja auch diplomatischere Umgangsweisen geläufig sein.
Diplomatie, wo sie hingehört. Und “Verfassungskritiker” gibt es nicht, weil es keine Verfassung gibt. Nicht einmal einen aktuell vorliegenden Enwurf.

Wie oft würden Sie denn den Versuch eine Verfassung zu verabschieden starten?
Entwurf erarbeiten, solange überarbeiten wie nötig, zur Abstimmung stellen, Ergebnis abwarten. Danach sehen wir weiter. Erwecken Sie aber bitte nicht den Eindruck, ich sei derjenige, der krampfhaft eine Verfassung zu etablieren versucht, das ist so nicht. Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die das versuchen möchten, es ist eine Option in diesem Spiel, das ist alles.

Zeigt nicht gerade die Diskussion um einen Kongress-Ausschluss wegen “schädigendem Verhalten” das Dilemma einer Verfassung? Diebstahl des Staatshaushalts hatte damals niemand bedacht. Zuletzt hat KRB das Kämpfen gegen eDeutschland ins Spiel gebracht. Kann man alle Eventualitäten beachten?
Ich konnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Was ist denn Ihre Alternative? Die Hände in den Schoss legen und weiter am Stammtisch wehklagen, wie schrecklich alles ist?
Der Wunsch der Menschen nach einer perfekt funktionierenden Justiz, mit perfekt definierten Gesetzen, die alles umfassen und abschliessend zweifelsfrei regeln, ist sehr verständlich. Erst wenn man sich wirklich darüber klar geworden ist, dass das eine Illusion ist und es nie einen “Gerechtigkeitsautomat” geben wird, kann (und muss) man anfangen weiter zu denken.
Ich werde nie darauf verzichten, meine Umwelt jeden Tag ein Stück besser zu machen, weil es Unzulänglichkeiten gibt und alles sehr schwierig ist. Eine Verfassung wird nie alle Eventualitäten abdecken können, Richter werden immer interpretieren müssen.


Muss eine eVerfassung nicht gerade in der schnellebigen eWelt auch Notverordnungen beinhalten, damit man in Kriegs- oder PTO-Zeiten auch schnell reagieren kann ohne beispielsweise erst mühsam die eVerfassung zu ändern?
Ich kann mir gut vorstellen, dass man Notverordnungen einbauen mag. Andererseits sollte man nicht der Regulierungswut verfallen. Gerade wo Flexibilität erforderlich ist, muss sie möglich sein und bleiben.

Kann nicht auch eine Verfassung erst Chancen des Missbrauchs ermöglichen?
Generell sehe ich keine Gefahren, hängt natürlich immer vom Entwurf ab. Man sollte vielleicht nicht zu viele Polen in die Kommission berufen.

Stichwort ePolen. Wenn diese mal wieder in eDeutschland eine 2/3-Mehrheit des Kongresses stellen. Können die uns dann eine neue Verfassung aufoktroyieren oder gibt es das Recht auf Widerstand?
Aufoktoyieren ist wie verkonsumieren, beides ist doppeltgemoppelt. 🙂

Besserwisser im Interview sind der Super-GAU!😁 Aber zurück zur Frage nach dem Recht auf Widerstand.
Manchmal für den Interviewten, manchmal für den Interviewer, ja. 😃

Auch Interviewer können sich mit verschimmelten Tortillas bewaffnen...
Eine fette Waffee nützt gar nichts, wenn man keinen Skill dafür hat. Germanen und vergammelte Tortillas sind echte Opfer, keine Gegner. Gut, gut, ich komme ja schon zum Widerstand zurück. Natürlich muss es das Recht auf Widerstand geben bei PTO-Versuchen gegen eDeutschland, was für eine Frage?! Das kann man auch in der Verfassung definieren, denn es ist zwar inzwischen relativ unwahrscheinlich, aber alles andere als unmöglich, dass so etwas passiert.

In Zeiten sinkender Spielerzahlen nimmt dieses Risiko (zahlreiche PTOs in den vergangenen Wochen zeigen es) wieder zu. Kann eine eVerfassung auch bei der PTO-Abwehr hilfreich sein?
Ich bin sicher, dass sie das kann, ohne mir bisher über diesen Teilaspekt Gedanken gemacht zu haben. Zuerst regelt man den eBND endlich inhaltlich und finanziell, spätestens unter einer SpeD-Regierung, schreibt ihn in die Verfassung. Danach definiert man einen staatsfeindlichen PTO und denkt sich aus, wie mit den Herrschaften dann zu verfahren ist. Ein Verfassungsentwurf ist ein weisses Stück Papier, das jede Quantität Gehirnschmalz aufzusaugen in der Lage ist.

Weder eine eVerfassung noch ein eStrafgesetzbuch können ingame Strafen ermöglichen. Hat eine eVerfassung also primär symbolischen Wert?
Eine gute Frage, die mir kein bisschen gefällt. 😉 Wer ständig “symbolischer Wert” sagt, verächtlich mt den Schultern zuckt und abwinkt, hat eine wichtige Tatsache vergessen: Am Ende der Leitung sitzt immer ein Mensch! Was glauben Sie, wie oft eRep-Spieler abends nicht einschlafen können, weil sie eine kontroverse Diskussion innerlich beschäftigt oder gar quält?, weil sie sich angegriffen oder verletzt fühlen?

Auch eBürger haben Gefühle?
Oft wird so getan, als gebe es hier nur spielende Automaten. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Jeder bringt sich ein mit allen seinen Emotionen, seinem Stolz, seinem Prestige, seinen Gedanken und seinem “guten Ruf”. Natürlich haben die Admins dafür gesorgt, dass man ausser der Sperrung von Foren- und IRC-Accounts, verweigerter Regierungsbeteiligung, automatischer “Nein”-Stimme bei Gesetzesvorschlägen und solchen Dingen bisher wenig faktsche Handhabe hat, was Strafen angeht. Dennoch sind auch das keine Kleinigkeiten, wie ich immer öfter dort beobachte, wo das so praktiziert wird.
Und meine Standardfrage wie immer als letzte Zeile: Was ist Ihre Alternative?


Wir beantworten keine Fragen, wir stellen nur welche😁. Glauben Sie Gobba fühlt sich angegriffen und kann nicht mehr schlafen, nachdem Sie ihn in einem Artikel zur Rückgabe des Goldes aufgerufen haben?
Ich habe nicht eine Sekunde Zweifel, dass ein Gobba, ein KRB; Sie oder ich die Geschehnisse in eRep mit uns herumtragen, auch wenn der Computer ausgeschaltet ist. Jeder auf seine Weise. Selbst ein von Hammer, der immer behauptet, er spiele hier nur eine Rolle (nur damit er immer zwischen Real- und Spielfigur hin und her springen kann, clever aber nicht clever genug), ist ebenso persönlich involviert wie jeder andere.
Gobba wird sich vermutlich überlegen, wie er seine triumphale Rückkehr organisieren kann, ohne die gesamte Beute rausrücken zu müssen, um sich dann als Salvator Germanicus feiern zu lassen. Jeder besorgt sich seine psychologischen Streicheleinheiten, wo er kann.


Im August soll ein erster Verfassungsentwurf zur Diskussion gestellt werden. Bei diskussionsfreudigen und detailversessenen eDeutschen, rechnen Sie vor der erfolgreichen Implementierung von V3 mit ersten Ergebnissen?
Bei der Fragestellung juckt es enorm in den Fingerchen, aber ich kann mich beherrschen. 😉 Wenn die Verfasser so klug sind, zunächst ein Grundgerüst zu erstellen, ohne der Regulierungswut zu verfallen; wenn alle ideologischen Ansätze draussen bleiben oder mindestens minimiert werden; wenn die Chance besteht, dieses Grundgerüst nach und nach zu komplettieren, und wenn wir alle in der Lage sind, eine Verfassung als spielerisches Element anzusehen, das Möglichkeiten bietet statt nur Möglichkeiten zu beschneiden, bin ich in einem schwierigen Thema sehr zuversichtlich.

Die Verfassungsfrage ist so alt wie eDeutschland. Viele der Bürger die schon ein paar Monate mehr auf dem Buckel haben sind bei dem Thema mittlerweile relativ genervt, schließlich ist bisher außer großen Diskussionen nichts bei raus gekommen. Können Sie den Unmut über das täglich grüßende Murmeltier verstehen?
Intellektuell “verstehen” kann ich das, ja. Allerdings gehen mir einige Highlevel-Berufszyniker, die sich nur noch von ihrer eigenen Resignation ernähren, gewaltig auf die Nerven! “Weil das bisher nicht ging, wird es in Zukunft auch nicht gehen” ist ein Standpunkt geistiger Windstille, den ich aus meiner RL-Partei gut kenne. Solche Leute muss man einfach ignorieren und die Hunde bellen lassen, während wir weiter reiten. Konstruktives ist von ihnen nicht zu erwarten.
Sollte sich am Ende herausstellen, dass auch dieser Versuch, eine eVerfassung zu erstellen, nicht zu einem positiven Ende zu bringen ist, war es nur ein gescheiterter Versuch mehr, so what?


Saramago, wir danken Ihnen für dieses interessante Interview.
Das war sehr erbaulich und anregend. Danke für alle die gemeinen Fragen. 😃