"eRassismus"? Wer kommt denn auf so einen Unsinn?

Day 2,060, 03:51 Published in Germany Germany by Thuroi

Um die Titelfrage gleich mal zu beantworten: Ich.

Schon länger gab es keine Artikel von mir, aber nun regte mich ein, ich nenn es mal, Streitgespräch zwischen Der einsame Kaiser und eisenmutter2 dazu an, etwas zu schreiben. Meine Zeitung soll sich nach ihrem Selbstverständnis mit Phänomenen der eKultur beschäftigen und als ein solches wird das untersuchte Gespräch angesehen (übrigens ein Hoch auf die (nicht mehr ganz so) neue Kommentarfunktion!). Wer es nachlesen will, es befindet sich in den Kommentaren dieses Artikels.

Abgesehen davon, dass die zwei Protagonisten herrlich an einander vorbei reden und sich nicht verstehen/verstehen wollen (übringes ein sehr verbreitetes ePhänomen), wurde ich durch das Lesen dazu verleitet einen neuen Begriff einzuführen: eRassismus. Es wird versucht unsere geliebte eisenmutter dadurch abzuwerten, dass man ihr vorwirft, dass sie in einem anderen eLand ansässig ist und das geschieht durch einen fließenden Übergang zwischen Spiel und (scheinbarer) Realität, indem diese dichotomen Begriffe in Sätzen wie "Russland ist dein Land" vollkommen verschwimmen. Jemand wird dadurch disqualifiziert, dass er in einem Spiel in einem anderen Land lebt und gleichzeitig wird er als in dieses Land gehörig deklariert, da er "Lächerlichen Kram von sich gibt", was nicht mehr auf der Ebene des Spiel, sondern ein Bezug zur "Realität" bedeutet. Gleichzeitig ist es natürlich auch ein schöner Zirkelschluss, wenn jemand nichts gutes sagt, weil er in einem anderen eLand lebt und er in einem anderen Land leben muss, da er nichts gutes sagen kann.
Ein weiterer wunderbarer Satz, indem die Dichotomie zwischen Spiel und Realität aufgehoben wird, ist: "Putz' deine Matrjoschka und nerv nich". Klischeehaft wird für das scheinbar reale Russland ein typischer Gegenstand (eine Matrjoschka) herausgesucht und diese ohne Zögern in Zusammenhang mit dem im Spiel (!) in Russland lebenden Spieler gebracht. Das interessanteste daran ist nicht, was wörtwörtlich geschrieben wird, sondern wie selbstverständlich hier ein Schubladendenken, dass nur zu leicht zu Rassismus führen kann, auf ein Spiel im Internet angewendet wird. Wenn schon in der "Realität" die Staatsbürgerschaft nicht viel über Gesinnung, Aussehen oder Gedanken der Person aussagt, wieviel weniger gilt dies dann für ein Spiel? Und ist es vielleicht sogar noch eine größere Gefärdung einzelner Individuen in die rechtsradikale Szene zu gelangen (oder ein deutlicheres Zeichen dafür, sich dort zu befinden), da die Übertragung von eStaatsbürgerschaft auf die spezielle Person noch abwegiger ist, als es sowieso ist?

Ich möchte mit diesem Artikel keine Person persönlich angreifen, aber wenn man sich aufregt, dass andere einen nicht als weltoffenen Spieler ansehen und Bedenken haben "mit einem zu spielen", dann sollte man doch seine Wortwahl, oder gar seine Anschauungen hinterfragen.