Nachtwache

Day 1,000, 12:11 Published in Germany Germany by Kalif Batan


Schon seit Tagen tobten heftige Kämpfe auf der Ebene im Süden Ungarns an deren Rand ich mit meiner Einheit stationiert war. Hinter uns lagen riesige Gebirgsketten, vor uns die riesige Ebene, auf der sich unsere Feinde gerade neu formierten. Die ehemaligen Acker und Weiden der ortsansässig Bauern waren von Schützengräben durchpflügt, Wälle waren aufgeschüttet und einige Bombenkrater klafften in der Landschaft. Der Mond schien zwischen den Wolken hindurch und verlieh der Szenerie eine gespentische Wirkung während ich mit meinem Kameraden gespannt wartete und in die Richtung unserer Feinden blickte.

"Schon wieder sind wir zur Nachtwache eingeteilt, diese verdammten Kommandanten haben es doch eindeutig auf uns abgesehen" maulte Wladimir, von uns liebevoll "Wanne" genannt. "Kein Wunder" entgegnete Erhard Lerkmon, einer unserer Ältesten in der Einheit, "schau uns doch an". Als ich in die Runde sah musste ich ihm in Gedanken zustimmen. Wir waren eine zusammengewürfelte Truppe, hauptsächlich unangenehme Typen, die ihren Kommandanten zu aufsässig geworden und deshalb zu uns in die KSK V versetzt worden waren. Alte Haudegen, junge Wilde und Verrückte, das waren die Kameraden, die gemeinsam mit mir in der ungarischen Nacht saßen.

Von der Obrigkeit lassen wir uns nur ungern was sagen, aber der Kommandant unseres KSK, General S. Leier, hatte diese explosive Mischung erstaunlich gut im Griff. Trotz aller Alleingänge und spezieller Bedürfnisse waren wir wohl die zuverlässigste Kampftruppe im Gefecht. Die anderen KSKs fanden stets Dinge, weswegen sie uns bei der Bundeswehr-Führung anschwärzten, aber im Kampf nahmen sie gerne unsere Unterstützung an, wenn sie wieder einmal in aussichtslosen Situationen waren.

Plötzlich riss mich eine Maschinengewehrsalve aus meinen Gedanken. Einige hundert Meter, an der linken Flanke unserer Stellung, brach augenblicklich eine Hektik los, die seinesgleichen sucht. Wild durcheinander, wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen, liefen die Mitglieder des KSK IV, die dort die Stellung hatten. Innerhalb weniger Augenblicke war unser gesamtes Lager auf den Füßen. Einige Gegner erblickten wir auch vor unseren Gewehrmündungen, schnell erkannten sie jedoch, dass der Schwachpunkt unserer Verteidigung links lag. Dort konzentrierte sich nun auch der Angriff der kroatischen Kampfverbände.Erste Verletzte wurden abtransportiert, die Übermacht der Feinde war offensichtlich.


"Hiergeblieben, wir halten die Stellung!!!" rief uns Leier zu. Francois, ein alter Veteran der aus der französischen Armee geschmissen wurde, weil er seinem Verteidigungsminister vor die Füße gespuckt hatte, aufgrund seines kindlichen Aussehens von uns nur "schlimmer Junge" genannt, schrie nur: Arschlecken, das sieht doch jeder Blinde dass die da drüben überrannt werden!".Er schnappte sich ein Maschinengewehr, was aufgrund seiner Größe beinahe lächerlich aussah und lief brüllend in Richtung der Explosionen und Schüsse in die Dunkelheit. Aus der Dunkelheit kam nun auch das Geräusch mehrer Panzer, die auf unser Lager zurollten. Das Gebrüll der Geschosse war unbeschreiblich, die Schüsse erhellten die Hänge hinter unser Stellung.

"Sie brechen durch, rette sich wer kann", rief einer der Kameraden die nun massenweise rannten und an uns vorbei flüchteten. "Auf geht's, wir nehmen uns der Sache an ", brüllte unser Kommandant. Er hatte einen irren Blick in seinen Augen, den ich noch nie zuvor an ihm gesehen hatte.Ich schnappte mir eine Panzerfaust, spurtete gemeinsam mit den Kameraden in Richtung der Angreifer. Die verletzten und vor Angst zusammengekauert in Ecken sitzenden Angehörige des KSK IV ließen wir unbeachtet.

Als ich den ersten Panzer zu sehen bekam, legte ich an und vernichtete ihn mit einem Volltreffer direkt unterhalb des Rohres. Auch meinen Kameraden gelangen einige Abschüsse, so konnten wir innerhalb weniger Minuten den Vormarsch stoppen. Wilde Schusswechsel folgten nun, einige Streifschüsse mussten wir hierbei nun auch einstecken. Gerade als sich die Lage wieder gegen uns entwickelte, kam das KSK I und verstärkte unserer Reihen. Gemeinsam mit diesen kampferprobten Soldaten konnten wir nun ohne große Probleme die Kroaten in die Flucht schlagen.

Als die letzten Schüsse über das Schlachtfeld pfiffen, kamen einige der vorher Geflüchteten zurück, um den Feinden Drohungen hinterherzurufen. Wir zogen uns langsam wieder an unsere ursprüngliche Stellung zurück, hinter uns hörten wir, wie die hoch dekorierten Kommandanten des Führungsstabes den Einsatz des KSK IV bei der Verteidigung des Lagers lobten. Ich steckte mir eine Zigarette an, wischte den Schweiß aus meinem Gesicht und versorgte meine Schusswunde am Oberarm.